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Die aufgedrängte Kostenloskultur: Zahlen wollen, aber nicht zahlen können?

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Fragt man die kommerziellen Anbieter, ist der Geburtsfehler des Internet die als selbstverständlich angesehene “Kostenloskultur”. Falsch, sagt unser Autor: Die Kunden würden ja gern bezahlen – aber sie können es nicht. Es wurde ihnen 20 Jahre lang abtrainiert.

Stellen Sie sich mal vor, Sie ziehen in eine neue Stadt. Hier gibt es Taxis und Busse, die sie zu den tollsten Sehenswürdigkeiten fahren. Sie fragen nach dem Fahrpreis, aber man winkt freundlich lächelnd ab: “Alles umsonst!” Sie gewöhnen sich schnell an den kostenlosen Service, der ein eigenes Auto unnötig macht. Ganz prima. Bis Sie nach zehn Jahren in der Zeitung immer wieder von Taxiunternehmen und Reiseveranstaltern lesen, die über Leute wie Sie und Ihre parasitäre Kostenlosmobilität wettern, die lautstark verlangen, dass man Sie nun (endlich!) zur Kasse bitten müsse für all die Dienstleistungen, die Sie seit Jahren frecherweise umsonst in Anspruch nehmen.

Von der Beilage zum Hauptgericht

Unvorstellbar? Auch wenn der Vergleich ein wenig windschief ist : Im Internet ist es ungefähr so gelaufen. Als das Medium neu war, der (gedruckte) Spiegel das Wort “Internet” noch in Anführungszeichen setzte und die “Datenautobahn” ein beliebtes Sprachbild war, galt der Ausflug in den “Cyberspace” als Kuriosität, als drolliger Bonus für Nachrichtenangebote kommerzieller und privater Natur. Zeitschriften, TV-Sender, Behörden fanden es angesagt, “jetzt auch online!” zu sein. Die Inhalte bestanden fast ausschließlich aus Zweitverwertungen oder Kurzfassungen.

Aber das Internet wuchs. Mit unvorstellbarer Geschwindigkeit. Immer stärker wurde der Sog, der Bedarf, der Anspruch – die Leser wollten keine Häppchen, sondern ganze Mahlzeiten, der Besuch des World Wide Web wurde nicht Ergänzung, sondern Ersatz des Konsums anderer Medien. Und die Frage, wer das alles bezahlt, wenn am Ende doch keiner zahlen muss, war in den Internet-besoffenen 90ern immer nur ein Problem der näheren Zukunft, nie der Gegenwart. Bis die Blase platzte. Seither wissen die Anbieter wenigstens, dass Geld nicht vom Himmel fällt. Und wundern sich, dass der Nutzer, der bisher mit kostenfreien Angeboten zugeschüttet wurde, nicht begeistert die Kehrtwende zu Paywalls und Online-Abos vollziehen mag.

Keine einheitliche Währung

Wer im Internet bezahlen will, hat ein Problem: Es gibt keine einheitliche Währung. Selbst wenn ein Anbieter die bequeme Bezahlung per PayPal anbietet, muss der Nutzer dort ein Konto haben und sich durch eine immer wiederkehrende Authentifizierung klicken. Einfacher sind Online-Abos – aber wer will schon einen Monat lang zahlen, um zehn Minuten lesen zu dürfen? Google Wallet, Amazon Coins, Bitcoins – jeder kocht sein eigenes Süppchen.

Dabei wäre die Lösung so einfach – besonders, weil eines der Vorgängersysteme des Internets prima vorgemacht hat, wie es gehen kann: Bei BTX gab es seit 1980 oben in der rechten Ecke einen kleinen Zähler mit den angefallenen Kosten. Wollte man eine kostenpflichtige Seite ansurfen, wurde der vom Anbieter dafür verlangte Preis transparent angezeigt – “ja oder nein?” war die einzige Entscheidung, die man als Leser treffen musste.

Das Netz ist auf Bezahlung nicht ausgelegt

Von 1 Pfennig bis 9,99 DM konnte ein kommerzieller Anbieter den Seitenpreis festlegen, abgerechnet wurde monatlich mit der Telefonrechnung. Der Haken: Das System hat nur funktioniert, weil es einen zentralen Server gab – und genau die gibt es im Internet nicht.

Das Internet ist strukturell gar nicht darauf ausgelegt, dem User zu folgen, um Abrufe und Einkäufe zuordnen zu können, ganz gleich, mit welchem Computer oder Browser man gerade unterwegs ist. Es würde eine völlig neue, dem Nutzer permanent folgende Infrastruktur brauchen, um ein dem BTX vergleichbares Micropayment-System zu installieren. Man müsste die Architektur der in die Jahre gekommenen Datenautobahn neu denken – und dagegen (oder dafür?) spräche die totale Aufgabe der Anonymität.

(Das ZDF ist für den Inhalt externer Internetseiten nicht verantwortlich)

Foto: Maik Meid, CC BY 2.0.


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